Die „Karli 83“ oder bleibt noch Kraft für den Abgang

Als ich 12 Jahre alt war, hatte ich noch Sport getrieben. Ich war Kunstturner. Mein Trainer „Sepp Stalder“, selbst ein erfolgreicher Turner, sagte zu mir vor einer Geräteübung an einem Turnier: „Achte vorallem darauf, dass dir genug Kraft bleibt für einen sicheren Abgang! Das prägt sich ein bei den Punktrichtern! Wenn du „den“ stehst, hast du schon gewonnen“! Passt!

Und dieser letzte Blogbeitrag über das Haus, welches meine Bleibe war in Leipzig, ist auch mein Abgang von der Übung „max in Leipzig“. Und ich hoffe doch, mir bleibt genug Kraft, um diesen Abgang „gut“ zu stehen“!

Karl-Liebknecht-Straße 83

Karl-Liebknecht-Straße 83

Im Haus an der Karl-Liebknecht-Straße ­befinden sich eine Sprachschule und ein Blumenladen. Eingepfercht von all den Wurst- und Kebabkneipen. Die Schule steht so angeschrieben, gehört dem Falk, welcher mir die Wohnung vermietet hat. Ihn kenne ich nur durch den Mailaustausch und von einem Telefongespräch im Vorfeld, als ich ihn mitten im Straßenverkehr von Nikosia angerufen hatte. Er lebt auf Zypern, ist dort verheiratet und hat zwei Töchter. Die Eine ist ein Jahr, die Andere sieben Jahre alt. Herr Dietrich, seinen Vater hatte ich noch kennengelernt, bevor er für einige Zeit zu seinem Sohn, vor allem aber zu seinen Enkelinnen, gereist ist.

Maria Liebknecht

Maria Liebknecht

Frau Dietrich ist jetzt meine Bezugsperson im Haus. Sie ist eine wunderbare, liebvolle Frau. Interessierter als die Männer an ihrer Seite! Mit ihr war ich gestern im Maître „zum Kaffee“. Die Tochter einer Spanierin hat sich dazu „richtig rausgeputzt!“. In ihrem violetten Deux-pieces und den perfekt passenden Strümpfen hat die 74-jährige Frau „das Haar offen getragen“. Sie ist noch immer eine wirklich attraktive Frau, nur die Hüften geben ihr zu schaffen! Ich habe mich fast ein bisschen geschämt in meiner Lederjacke! Bei Kuchen und Kaffee hat sie mir aus ihrem Leben erzählt, ich könnte ihr Stunden lang zuhören. Eigentlich ist ein so volles Leben, wie das ihre, die Vorlage für ein ganzes Buch! Soweit bin ich jetzt noch nicht! Sie hatte fünf Geschwister! Einer von ihnen fuhr schon vor der Wende „rüber“. Den durfte sie auch besuchen an seinen Geburtstagen mit ihrer Schwester, wenn sie sich gegenüber den Beamten durchgesetzt hatten. So war das! Am Abend arbeitet Frau Dietrich oft am Haus, oder füttert die Straßenkatzen hinten im Hof!

Frau Mönch, die Katzenmutter mit dem "Waldi"

Frau Mönch, die Katzenmutter mit dem „Waldi“

Die eigentliche Katzenmutter aber ist Frau Münch. Sie wohnt im Nachbarhaus, der “ 81″. Kurz vor acht Uhr steht sie im Hof und bereitet mehrere Töpfe voller Katzenköstlichkeiten. „Der „Waldi“ kriegt morgens auch mal ein bisschen Milch. Der mag das! So ne echte Straßenkatze ist er nicht!“ meint Frau Münch. Waldi striech mir um die Beine, kurz, nachdem ich ihn kennengelernt hatte! „Die Mohrle ist dann schon eher noch ne Wilde!“ Die lässt mich schon gar nicht in ihre Nähe!

Am letzten Samstag haben die „Jungen Leute von der WG“ unterhalb der Wohnung von Frau Münch eine Party gefeiert. Sie ist sich von der „Karli“ schon einiges gewohnt! Aber so etwas hat sie noch nie erlebt! Das ganze Treppenhaus war Partyraum. Als sie sich bei den Verursachern beschwerte, so um fünf Uhr morgens, wurde ihr der Bescheid gegeben „das müsse sie jetzt ertragen!“! Die Jungen seien eben angehende Doktoren, meint sie, mit einem Augenzwinkern! Auch ich bin in dieser Nacht ein zweimal aufgewacht, im Glauben meine Wohnungsklingel gehört zu haben! Am Sonntagmorgen hat Frau Dietrich die ganzen Partyreste vor und hinter den beiden Häusern weggeräumt. Frau Mönch hätt alles liegen lassen!

Einige Bewohner kenne ich nur vom Grüssen im Treppenhaus. Zuoberst „im Vierten“ wohnt ein sympathische junge vierköpfige Familie. Der Mann, ein Inder hat sich mir als Filmemacher, vorgestellt. Ich wollte noch bei ihnen anklopfen. Frau Dietrich meint sie seien in den Ferien.

Margret Hoppe wohnt im dritten Stockwerk. Sie ist eine erfolgreiche Leipziger Künstlerin der Sparte Fotographie (auch auf ihrer Karte in alter Manier mit „ph“ geschrieben!) Mir gefallen ihre Arbeiten. Sie hat ihr Atelier, wie viele in einer Ateliergemeinschaft der Baumwollspinnerei. Die Vorarbeiten für einen großen Katalog bei Scheidegger & Spiess Kunst (die Schweizer seien sehr genau) hat sie in den letzten Tagen abgeschlossen. Sie bereitet auch noch eine längere Indienreise vor. Sie hätte ich eigentlich gerne porträtiert! Auch aus eigener Erfahrung habe ich aber schnell gemerkt, das passt jetzt nicht!

Heute Vormittag hat Maria Dietrich mich zum Tee in die Sprachschule eingeladen . Da durfte ich noch die Bekanntschaft schliessen mit der Geschäftführerin Astrid Wenzel. Wie bei vielen Bewohnern und Bewohnerinnen hier Leipzig ist mir an ihr die offene, fröhliche Art aufgefallen! Wir hätten wohl manche Zigarette gemeinsam vor „Karli 83“ geraucht, wenn wir uns früher begegnet wären.

Jetzt plagt mich der Hunger! Ich gehe ein letztes Mal ins Café Grundmann: „Rote Beete-Süppchen“! – Danach diesem Bericht fertig schreiben – packen, bevor ich dann zur Spinnerei „Der Dybbuk“ fahre!

_Plakatankündigung "Der Dybbuk" Anna Natt

Plakatankündigung „Der Dybbuk“ Anna Natt vor meinem Leihvelo (links)

Als ich am Sonntag kurz vor zwölf aus dem Haus ging, hat mich Frau Dietrich gefragt: „Wohin des Weges, junger Mann?“ Ich antwortete ihr: „Ich geh zum Brunch mit Anna!“ Sie: „Ah die Tänzerin …!Bei ihrer knappen Bemerkung konnte sie ihre verschmitzte Art nicht ganz verbergen! Sie hatte also doch im Blog gelesen! Wir hatten einen feinen Schalk, die Maria Dietrich und ich!

Gestern habe ich bemerkt, dass unter all den Besuchern meines Blogs inzwischen mehr Deutsche, wie Schweizer sind! Bemüht euch also, liebe Schweizer, wenn ihr mich behalten wollt!

max aus Leipzig

 

 

 

 

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