Das Café Maître oder Ulrike deine Zeit wird kommen

Ulrike Schauer an der Arbeit

„Treppchen runter…..

Am Morgen hier in Leipzig bin ich meist zwischen sieben und acht Uhr aufgestanden. Für mich hat der Morgen nichts Goldenes an sich. Ich brau mir dann einen Filterkaffee, aus einer original italienischen Röstung (fairer Handel). Mit oder ohne Duschen in die Kleider und dann raus. Das Café Maitré liegt direkt gegenüber. Eine Zigarettenlänge nehm ich mir Zeit, einen kleinen Umweg und freue mich auf den herzlichen Empfang im Jugendstilcafé mit dem französischen Touch! Es gehört zu den schönen Dingen im Leben, mit einem ehrlichen Lachen begrüßt und bedient zu werden. Ich werde mich zurück in Zürich an eine oft launige (mit sich selber beschäftigte) Bedienung wieder gewöhnen müssen.

Ulrike Schauer arbeitet meistens in der Morgenschicht unter der Woche und hat sie mich sicher mehr als zehnmal bedient im Maître. Sie hat sich 2006 die Magistra Artium für Kunstgeschichte an der Technischen Universität Dresden mit Nebenfach Germanistik und Literaturwissenschaften erworben. Während ihres Studiums wurde sie Mutter von Tilmann 2001, und Gesine 2001. Heute lebt sie getrennt vom Ehemann und Vater in einer Patchworkfamilie mit einem anderen Mann. Die meiste Zeit sind die Kinder bei ihr.

Bei unserem ersten Treffen außerhalb vom Maître habe ich Tilmann und Gesine kennengelernt. Ich mochte die beiden Kinder einfach vom ersten Moment an. Kinder in diesem Alter verstehen es prima, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ich hatte eigentlichen Grund unseres Treffens vergessen, fand einfach keine Zeit mehr, mir zum Gespräch mit Ulrike Notizen zu machen.

Also haben Ulrike und ich uns gestern vor ihrer Arbeitsschicht noch einmal getroffen. Ulrike hat mir ihre Bewerbungsunterlagen mitgebracht. Es ist schlicht unglaublich, was diese Frau im Leben schon geleistet hat. Sei es im Grassi Museum Leipzig als wissenschaftliche Volontärin oder bei kocmoc.net als Projektmanagerin (die zwei letzten Anstellungen, jeweils über zwei Jahre). Was sich da an Arbeitszeugnissen angesammelt hat, übersteigt jegliche Erwähnung. Sie will sich in der Schweiz im Moment noch nicht bewerben. Aber eine Bezugsperson hat sie nun gefunden!

Seit einem Jahr nun arbeitet Ulrike beim Maître im Service in einem Team, in welchem sich sicher noch andere tolle Lebensläufe verbergen. Ihr Chef Eckehart Grundmann habe ich letzte Woche auch zu einem Gespräch getroffen. Er versteht es in seiner sehr zurückhaltenden und bescheidenen Art, gut ausgebildetes Personal zu einem Team zu formen, welches den anspruchsvollen Gast verwöhnt! Natürlich gehört da eine gute Küche mit dazu! Sowohl das Café Grundmann wie auch das Café Maître wird von der jeweiligen GmbH geführt!

Auch Ulrike habe ich gefragt, ob sie mir einen kurzen Text schreibt zu ihren Erinnerungen an die Wende 1989. Sie hat mir gestern Nacht folgende Zeilen zugeschickt:

Ich war 14 Jahre alt und ging in die 8. Klasse, die Klassenstufe in der man auf die Aufnahme in die Freie Deutsche Jugend (FDJ) vorbereitet wurde. Das war sehr spannend, da ja schon in dem Wort „Freie …“ Deutsche Jugend ein Widerspruch zum bestehenden System bestand, das wurde dann heftig diskutiert. Die Hälfte der zu diesem Zeitpunkt abgesessenen Schulstunden bestand aus politischen Gesprächen, zum Glück mit aufgeschlossenen Lehrern, die schnell begannen mit uns über eine mögliche politische Zukunft zu sprechen. Ich fand es unsagbar erleichternd, nun in die Schule gehen zu können und jetzt meine Meinung sagen zu dürfen, von einem Tag auf dem anderen, denn ich war es immer gewöhnt gewesen, dass das, was zu Hause besprochen worden war zu Hause blieb, jedes politische Gespräch endete mit dem Satz meiner Eltern, „Das was wir jetzt hier besprochen haben, erzählst du aber nicht in der Schule!“
Die emotionalste Erinnerung ist die Montagsdemonstration während meiner Herbstferien (das war also schon nach dem 9. Oktober) – überall Kerzen und so viele Menschen, die alle um den „Ring“ liefen, friedlich und zuversichtlich und man sprach locker wild durcheinander – wir kannten ja nur mit geschlossenen Mündern an der „Ehrentribühne“ vorbei, „im Gleichschritt Marsch“ von den Demonstrationen zum 1. Mai, zu denen wir verpflichtet worden waren.
Manchmal lauf ich ganz bewusst heute noch über den Ring, an der Runden Ecke vorbei, über den Dittrichring. Meine Mutter stammt aus der Familie Rudolf Dittrich, dem Oberbürgermeister (1908-1917), mein Großvater hat mir als Kind immer von der wunderbaren, fortschrittlichen Stadt Leipzig erzählt – damit hat er für mich immer Recht behalten…!

Ulrike Schauer am 3.11.2014

Ulrike und das ganze Maître-Team haben mir fast jeden Morgen das Arbeiten an diesem Blog erleichtert! Dein begrüßendes, freundliches Lachen hat mir in den oft einsamen Stunden meines Aufenthaltes Mut gemacht. Leipzig, das ist auch euer Verdienst, werde ich bald wieder besuchen, wer weiß, vielleicht für längere Zeit!… und wie gesagt, davon bin ich überzeugt:

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….Treppchen hoch. Deine Zeit wird kommen!

max aus Leipzig

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